Unterschiede zwischen familiengeführten und managementgeführten Mittelstandsunternehmen
Der deutsche Mittelstand zeichnet sich durch Unternehmen mit verschiedenen Ausprägungsmerkmalen aus. Neben Größe, Branche, Alter und Rechtsform stellt auch das Management und die Eigentümerstruktur ein Unterscheidungsmerkmal dar.
Oft wird in diesem Zusammenhang der Begriff Familienunternehmen verwendet. Diese sind meistens durch die Einheit von Eigentum und Leitung in der Familie charakterisiert. Allerdings fehlt eine einheitliche Definition von Familie. Eine Expertengruppe der EU schlägt vor, eine in Finnland entwickelte Definition zu übernehmen: Ein Unternehmen jeder Größe ist ein Familienbetrieb, wenn die natürliche(n) Person(en), die das Unternehmen gegründet hat/haben, oder die das Aktienkapital der Firma erworben hat/haben, oder deren Nachkommen im Besitz der Mehrheit der Entscheidungsrechte ist/sind, die Mehrheit der Entscheidungsrechte direkt oder indirekt besteht, oder wenn mindestens einer der genannten formal an der Unternehmensleitung beteiligt ist, oder wenn bei börsennotierten Unternehmen 25 % der Stimmrechte bei den genannten liegen.
Es gibt auch weniger strenge Abgrenzungen, in der Definition der Stiftung Familienunternehmen werden beispielsweise auch Unternehmen eingeschlossen, bei denen zwar eine Trennung zwischen Eigentum und Leitung besteht, aber das Unternehmen von einer überschaubaren Anzahl natürlicher Einzelpersonen oder Familien kontrolliert wird. Der Verband Die Familienunternehmer — ASU sieht neben den oben genannten Eigentums- und Leitungsstrukturen die Einheit von Risiko und Haftung als wichtigstes Merkmal eines Familienunternehmens, da der Unternehmer mit seinem eigenen Kapital für betriebswirtschaftliche Entscheidungen aufkommt.
Eine andere Frage ist, ob man Familien- und Nichtfamilienunternehmen auch in ihrem Verhalten und ihrem Selbstverständnis unterscheiden kann und ob sich das am Markt bemerkbar macht. So spricht beispielsweise einiges dafür, dass durch die vertrauensbildende Rolle der Familie ein Reputationsvorteil gegenüber Nichtfamilienunternehmen erlangt wird, da die Familie das Unternehmen schon länger prägt und das Unternehmen sehr wahrscheinlich auch an die nächste Generation übergeben werden soll. Diese Nachhaltigkeit und Übergabeabsicht verringern die Wahrscheinlichkeit, dass das Familienunternehmen zu einer besonders risikoreichen Strategie neigt und sich gewährleistet auch eine Verbundenheit zum Unternehmensstandort.
Die Familie ist in der Regel dauerhaft mit dem Unternehmen verbunden, während in Nichtfamilienunternehmen Gesellschafter oder Geschäftsführer schneller wechseln können. Ferner sind die Familiengesellschafter zumeist weniger diversifiziert als die einer Publikumsgesellschaft. Deshalb könnte man vermuten, dass eine Familie sorgsamer mit ihrem Unternehmen umgeht, als das bei Nichtfamilienunternehmen der Fall ist.
Hinzukommt, dass die Familie befürchten muss, dass dubiose Geschäftspraktiken nicht nur die Reputation des Unternehmens, sondern auf auch die der Familie selbst in Mitleidenschaft ziehen. Dieses höhere Maß an Nachhaltigkeit wirkt sich wiederum auf andere Faktoren aus.
So haben z.B. das Institut für Mittelstand und Familienunternehmen der SHBA Hamburg School of Business Administration und die Leuphana-Universität Lüneburg zusammen mit Euler Hermes und Roland Berger nachgewiesen, dass es einen Finanzierungsvorteil für Familienunternehmen gegenüber fremdgeführten Unternehmen gibt. Es wurde aufgezeigt, dass die höhere Reputation der Familienunternehmen die Kreditvergabe erleichtern und die personelle Stabilität im Familienunternehmen die Kreditverhandlungen auch auf der persönlichen Ebene verbessert — dies umso mehr, wenn auch auf Seiten der Kreditgeber personelle Stabilität gegeben ist.
Ebenso dürfte in Familienunternehmen das Verhältnis zu den Mitarbeitern persönlicher sein als in von familienfremden Managern geführten Unternehmen. Man kennt sich in der Regel lange und es besteht ein Vertrauensverhältnis und seitens der Unternehmerfamilie ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Belegschaft. Allerdings kann sich dieser Umstand auch nachteilig auswirken, wenn die Chemie zwischen den Eignern und dem Mitarbeiter nicht stimmt und andere Personalinstanzen weniger Einfluss haben als bei fremdgeführten Unternehmen.
Ein weiteres Thema ist die Unternehmensnachfolge. Jeder sechste mittelständische Unternehmer in Deutschland plant, in naher Zukunft sein Unternehmen an einen Nachfolger zu übergeben. Einen geeigneten Nachfolger zu finden ist jedoch für die Familienunternehmung in Ermangelung ausreichend begabter Kinder nicht immer leicht. Hier hat es das managementgeführte Unternehmen leichter, indem es bei einem Wechsel einfach eine neue Unternehmensleitung am Personalmarkt suchen kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Familienunternehmen in der Regel ein höheres Maß an Nachhaltigkeit und Verbundenheit zum Unternehmen aufweisen als fremdgeführte Unternehmen, was zu Erleichterungen bei der Kreditvergabe und einem persönlichen Verhältnis zu den Mitarbeitern führt. Als Nachteil muss der Nachfolgeaspekt genannt werden, da es oft in der Familie an geeigneten Kandidaten für die Unternehmensnachfolge fehlt.
August, 06, 2018