Moderne Finanzierungsformen für den Mittelstand

Moderne Finanzierungsformen für den Mittelstand

Birgit Hass

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Die weltweit schnell wachsende Finanztechnologie-Industrie mit neu konfigurierten Wertschöpfungsketten der Finanztechnologieunternehmen (FinTechs) und einer Vielzahl an neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen bieten für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs) einen vereinfachten Zugang zu Finanzierungsquellen und Finanzdienstleistungen und bergen für etablierte Finanzintermediäre zugleich die Gefahr, sie aus einzelnen Segmenten zu verdrängen, zumindest aber den ohnehin schon hohen Margendruck weiter zu verstärken.

Denn kaum eine Branche in Deutschland tut sich in der Digitalisierung der Kundenschnittstelle so schwer wie Finanzdienstleister und Banken. Gerade bei mittelständischen Unternehmen haben sich die meisten Institute bislang auf ein Minimum an digitalen Kunden-Prozessen beschränkt. Dementsprechend ist der Weg zur Finanzierung für Unternehmer äußerst langwierig und zeitaufwändig. Erst einen Termin bei einem Bankberater vereinbaren, dann den Investitionsplan vorlegen, Bilanzen und sämtliche Unterlagen einreichen. Nach längeren Gesprächen und diversen obligatorischen Prüfungsprozessen heißt es erstmal Geduld haben. Bis es zu einer Rückmeldung seitens der Bank kommt, können mehrere Tage oder Wochen vergehen, wofür auch aufsichtsrechtliche Gründe verantwortlich sind.

Nun sehen sie sich die Finanzinstitute plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass sich einiges bewegt und Unternehmen, die eine Finanzierung benötigen, neue Möglichkeiten geboten werden. FinTechs gelingt es mehr und mehr, diesen Prozess einfacher, schneller und vor allem auch kostensparender für Unternehmen zu gestalten. Nachdem im Privatkundenbereich Crowdfinanzierungsplattformen schon seit einigen Jahren absolut etabliert sind, lassen sich immer häufiger auch Unternehmen durch Online-Investoren unterstützen. Sie stellen auf auf Unternehmensfinanzierung ausgerichteten Onlineplattformen ihr Projekt vor. Private oder gewerbliche Nutzer können dann direkt über die Plattform das Unternehmen mit Geldbeiträgen unterstützen.

Dabei unterscheidet man drei unterschiedliche Arten, wie vom Handelsblatt in einem Onlinebeitrag am 08.10.2018 beschrieben, nämlich Crowdfunding, Crowdinvesting und Crowdlending. Beim Crowdfunding ist zunächst jede Idee — und auch jede Unternehmensform — willkommen. Es spielt keine Rolle, ob es sich um eine Dienstleistung, ein Produkt oder beispielsweise um die Finanzierung eines Kinofilms handelt. Wichtig ist lediglich nur, dass die Community diese Idee für unterstützungswert hält. Aus diesem Grund legen Unternehmen, die sich auf Plattformen um eine Finanzierung bemühen, sehr viel Wert auf Transparenz und eine emotionale Bindung zum potenziellen Investor. Gefällt diesem die Idee, so kann er das Unternehmen wirtschaftlich unterstützen, ohne eine direkte Gegenleistung dafür zu bekommen. Es handelt sich um eine Art Spende an das Unternehmen, wobei es oft eine kleine Gegenleistung gibt wie Produktproben als Dankeschön an den Unterstützer.

Im Unterschied dazu werden beim Crowdinvesting tatsächlich Investoren oder Kleinanleger gesucht. Diese erwarten von dem Unternehmen, in das sie investieren, Unternehmensanteile oder Anteile am Gewinn. Die Rechte und Pflichten, die Investoren normalerweise haben, entsprechen denen einer stillen Beteiligung. Besonders beliebt ist diese Finanzierungsvariante bei StartUps. Aber auch die Immobilienbranche zeigt großes Interesse an Crowdinvesting als Finanzierungsform. Nach Angaben des Online-Magazins „Für Gründer“ hat sich das Finanzierungsvolumen für die Immobilien-Branche via Crowdinvesting auf fast 19 Millionen Euro summiert.

Die aktuell beliebteste Variante der Crowdfinanzierung ist das Crowdlending. Hierbei vermitteln Internetplattformen Kredite an Unternehmen, aber auch an Privatpersonen. Anders als beim Crowdinvesting bekommen die Kreditgeber keine Anteile des Unternehmens oder des Gewinns. Stattdessen erhalten diese, zu einer festgelegten Laufzeit, monatliche Zins- und Tilgungsraten.

Möglich geworden sind diese neuen Angebote durch die Digitalisierung und insbesondere den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Dieses Thema ist zurzeit bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Prioritätenliste und hat viele Ausprägungsformen: Selbstfahrende Autos, smarte Sprachassistenten wie Alexa und Co, welche mit jedem sprachgesteuertem Kommando dazu lernen, oder ein intelligentes Supermarktregal, was zum richtigen Zeitpunkt die gewünschte Menge an Waren von selbst nachbestellt.

Daher verwundert es nicht, dass KI auch in Finanzierungsfragen immer mehr zum Einsatz kommt. In vermutlich nicht allzu ferner Zukunft könnten beispielsweise KI-basierte Systeme zur Durchführung von Kreditprüfungen den Firmenkundenberater unterstützen. Mithilfe des ständigen Lernprozesses können immer häufiger individuelle Marktrecherchen oder automatische Bonitätsprüfungen veranlasst werden. KI-Programme ermitteln beispielsweise Muster und Zusammenhänge und sagen so Ausfallwahrscheinlichkeiten präziser vorher. Dies beschleunigt den Prozess der Kreditvergabe.

Wie bei allen Entwicklungen gibt es allerdings nicht nur Vorteile. Das Risiko der Fehleinschätzung bei Firmenkunden könnte durchaus zunehmen. Insbesondere im Bereich Betrug wird es neue Angriffsszenarien geben, bei denen versucht wird, die künstliche Intelligenz anzugreifen und so umzulernen, dass diese bestimmte Betrugsmuster falsch erkennt. Hier sind intelligente Entwicklungen gefragt, um dies zu verhindern.

Zukunftsgetriebene Finanzunternehmen wie beispielsweise die Finanzierungsplattformen creditshelf und Compeon arbeiten heute bereits an Prozessen, die durch KI-Systeme unterstützt werden. KI ist dabei der zentrale Treiber bei der digitalen KMU-Finanzierung mit erheblichem Potenzial im Bereich der kundenzentrierten Betreuung und des Ratings.

Ziel ist der komplett digitale Firmenkredit. Die Kreditvergabe an Unternehmen wird zu 100 Prozent digital, Unternehmen erhalten die Möglichkeit, einen Kredit ohne einen analogen Schritt zu erhalten. Anfrage, Einreichung der Unterlagen, Prüfung und schließlich auch die Vertragsunterschrift geschehen optimalerweise komplett online. Das ermöglicht Kreditzusagen bestenfalls bereits nach wenigen Tagen.

Diese Entwicklung kommt vor allen Dingen mittelständischen Unternehmen zugute. Denn für 52 Prozent der KMUs in Deutschland hat sich in den vergangenen zwölf Monaten der Zugang zu klassischen Bankkrediten verschlechtert. Das ergab der schon zum zweiten Mal vom digitalen Kreditmarktplatz creditshelf erhobene „Finanzierungsmonitor“, für den zusammen mit der TU Darmstadt mehr als 100 Finanzentscheider aus mittelständischen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen befragt wurden.

Dieser zeigt deutlich auf, wie ernst die Lage für einige Mittelständler derzeit ist. „Kleine und mittlere Firmen haben zuletzt im Gegensatz zu großen börsennotierten Unternehmen eher Zurückhaltung bei Kreditanfragen erfahren. Sie erwarten auch jetzt nicht, bei der Kreditaufnahme von der immer noch anhaltenden Niedrigzinsphase zu profitieren“, fasst Prof. Dr. Dirk Schiereck von der TU Darmstadt die aktuelle Situation zusammen. „Im Gegenteil: 64 Prozent der für die Studie befragten Betriebe halten künftig sogar noch schwierigere Kreditkonditionen durch steigende Zinsen für wahrscheinlich, 67 Prozent fürchten dies als Folge einer verschärften Regulierung und 63 Prozent aufgrund einer restriktiveren Kreditvergabe seitens der Hausbanken.“ 60 Prozent von ihnen wünschen sich vor allem eine schnellere Kreditentscheidung, 47 Prozent die Möglichkeit, ihre Finanzierung breiter aufzustellen, und 45 Prozent den besseren Zugang zu unbesicherten Krediten.

Der “Finanzierungsmonitor 2017” zeigt aber auch, dass zwei Drittel der befragten Unternehmen mittlerer Größenordnung (KMU) schon über die Möglichkeit von Online-Betriebsmittelkrediten als Kreditvariante informiert sind, wenn es um den Finanzierungsmix geht. 28 Prozent der Mittelständler haben davon über ihre Hausbank erfahren, 19 Prozent über ein anderes Kreditinstitut. Beinahe jedes zweite Unternehmen hat die Angebote der FinTechs, die mit solchen Kreditplattformen im Finanzmarkt agieren, aktiv bei der eigenen oder einer anderen Bank angesprochen. Die “Empfehlungen durch die Hausbanken und Hinweise der Steuerberater werden künftig dazu beitragen, die Akzeptanz der Internet-Kreditplattformen im deutschen Mittelstand noch zu steigern”, glaubt Professor Dr. Dirk Schiereck von der Technischen Universität Darmstadt und wissenschaftlicher Begleiter der Studie.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass FinTech-Unternehmen und insbesondere Kreditplattformen einen sinnvollen Mehrwert für die gesamte Wirtschaft leisten, indem sie neue intelligente und flexible Produkte anbieten. Wie das Beispiel creditshelf AG zeigt, stößt dies auf überaus rege Nachfrage. Die 2014 gegründete Online-Kreditplattform, die sich auf mittelständische Unternehmen spezialisiert hat, verzeichnete seit der Gründung bereits Kreditanfragen von über 1 Mrd. Euro.

Oktober, 18, 2018

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Birgit Hass

CMO I Top10 Finfluencer 2022 I Beirätin I Mentorin I 360° Marketing- & Kommunikations-Expertin I Superconnector I Founder Finfluencer Circle